Haftungsrisiken des Steuerberaters im Insolvenzfall Verschärfung der Risiken durch das COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG)

1. Neue Risiken durch das COVInsAG:

Durch das COVInsAG ist die Pflicht zur Stellung des Insolvenzantrages, insbesondere wegen Corona, weitgehend ausgesetzt worden. Einzelheiten der Neuregelung unten 4a.

Dadurch fühlen sich viele Unternehmer einigermaßen sicher und zögern die dringende angesagte und durch Corona verschärfte Sanierung ihres Unternehmens hinaus.

Dabei tun sich aber erhebliche neue Gefahren auf:

Wenn die Insolvenzreife gegeben ist, droht bei jeder Bestellung der Eingehungsbetrug, bei Gewährung von Krediten der Kreditbetrug, bei Gewährung von Beihilfen der Subventionierung und bei Beschäftigung von Mitarbeitern der § 266a StGB.

Auch kann sehr schnell eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers nach § 43 GmbHG angenommen werden.

Das alles ist völlig losgelöst von der Insolvenzantragspflicht, diese Gefahren verwirklichen sich aber in der Krise eines Unternehmens erfahrungsgemäß sehr oft.

2. Auswirkungen für Steuerberater:

Nach der Entscheidung des BGH vom 26.01.2017 besteht eine umfangreiche und explizite Hinweispflicht des Steuerberaters bei Insolvenzreife. Einzelheiten zu der Entscheidung unten 4 b. Die Entscheidung hat dazu geführt, dass Insolvenzverwalter verstärkt Schadensersatzprozesse gegen Steuerberater führen.

Es ist meines Erachtens davon auszugehen, dass sich diese Hinweispflicht auf oben beschriebenen Gefahren bezieht. Der Steuerberater muss also noch umfangreicher als bisher aufklären und hinweisen.

Jedenfalls ergibt sich die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht keine geringere, sondern eher eine umfassendere Hinweispflicht des Steuerberaters.

Allerdings gibt es auch ein Lichtblick. Die Gläubiger des Steuerberaters haben nach einer Entscheidung des BGH vom 06.06.2013 (AZ: IX ZR 204/12) ein gewaltiges Beweisproblem hinsichtlich des Nachweises des Schadens, dazu unten 4 c.

3. Fazit

Die derzeitige Rechtslage führt eher dazu, dass die Aufklärungspflicht des Steuerberaters noch weitgehender ist. Die damit verbundenen Haftungsrisiken sind es ebenfalls.

4.
a) COVInsAG

Klassisch kennt das Insolvenzrecht zwei Gründe, die zu einem unverzüglichen Insolvenzantrag zwingen: Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) und Überschuldung (§ 19 InsO). Kommt es zur Insolvenzreife, ist rasches Handeln geboten (§ 15a InsO). Länger als maximal drei Wochen darf die Geschäftsführung einer GmbH nicht versuchen, das Unternehmen selbst zu sanieren, dann ist der Gang zum Insolvenzgericht erforderlich.

Das COVInsAG gibt all das auf und erklärt in § 1 COVInsAG den 30.09.2020, in § 4 COVInsAG aufgrund einer Verlängerungsmöglichkeit den 31.03.2021 zum relevanten Stichtag.

Wenn man die – wahrscheinliche – Verlängerung unterstellt, ist der Zwang zur Antragstellung praktisch ein Jahr lang aufgehoben. Da davon ausgegangen werden muss, dass zahllose Unternehmen, die aufgrund der Pandemie in die Zahlungsunfähigkeit geraten, von dieser (scheinbaren) gesetzgeberischen Wohltat Gebrauch machen, tritt eine Zombifizierung relevanter Teile der deutschen Wirtschaft ein. Die Wohltat indes ist mit Risiken und Nebenwirkungen für alle Beteiligten verbunden, nicht zuletzt für die Geschäftsführer selbst, denen angesichts der fortbestehenden Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens bei jeder Bestellung eine Strafbarkeit wegen Eingehungsbetruges droht, bei jeder Beschäftigung von Mitarbeitern die Strafbarkeit wegen Vorenthaltens und Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer, bei jedem Kreditantrag der Kreditbetrug, bei jedem Antrag auf staatliche Unterstützung die Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges.

Das Gesetz knüpft die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht in § 1 COVInsAG an zwei Voraussetzungen: Eine Ursache für die Unternehmenskrise muss in der Pandemie liegen (das wird nicht zuletzt angesichts der staatlichen Eingriffe in das Leben jedes Menschen und jedes Unternehmens infolge der Pandemie leicht nachzuweisen sein) und es muss jedenfalls irgendeine Aussicht darauf bestehen, dass das Unternehmen eine bestehende Zahlungsunfähigkeit überwindet (ebenfalls leicht behauptet, denn die Aussichten erfordern deutlich weniger als etwa die Fortführungsprognose in § 19 Abs. 2 InsO).

Nicht der Geschäftsführer muss beide Voraussetzungen nachweisen, sondern derjenige, der ihn in Anspruch nehmen will – insbesondere nach § 64 GmbHG also der Insolvenzverwalter –, soll nachweisen müssen, dass die Voraussetzungen im konkreten Fall nicht vorliegen. Das ist angesichts des großzügigen Verständnisses des Gesetzgebers ein fast hoffnungsloses Unterfangen, wenn nicht schon Nachweise einer früher eingetretenen Zahlungsunfähigkeit vorliegen. Früher, das definiert der Gesetzgeber in einer gesetzlichen Vermutung in § 1 COVInsAG als vor dem 31.12.2019.

In § 2 COVInsAG werden Folgen der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht normiert. Geschäftsführer werden weitgehend von der Haftung nach § 64 GmbHG verschont. Das ist eine logische Konsequenz des gesetzgeberischen Grundansatzes: Wird die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, dann kann man es schließlich nicht rechtfertigen, auf die Nutzung dieser Gelegenheit eine zivilrechtliche Ersatzpflicht zu gründen. Auch hier darf man sich indes nicht täuschen lassen: Aufgehoben ist insofern nur die Haftung aus § 64 GmbHG, nicht aber diejenige aufgrund anderer Tatbestände wie beispielsweise § 43 GmbHG. Erweist sich die Geldausgabe des Geschäftsführers als verfehlt, so muss er also durchaus damit rechnen, persönlich dafür einstehen zu müssen, wenn sich dies als Sorgfaltspflichtverstoß darstellt.

Weitere Tatbestände in § 2 COVInsAG beschneiden die Anfechtungsmöglichkeiten der Insolvenzverwalter. Gelingt es dem in Geldnot befindlichen Unternehmen, Kreditgeber zu finden, dann will der Gesetzgeber die Zuführung frischen Kapitals erleichtern, indem er ihnen die Furcht vor späterer Anfechtung nimmt. Das kommt auch Gesellschafterdarlehen zugute, sie profitieren also ebenfalls vom Anfechtungsprivileg.

Für Gläubiger-Insolvenzanträge gilt eine Art dreimonatiges Moratorium. Im Zeitraum vom 28.03. (also einen Tag nach Verkündung des Gesetzes in BGBl. I 2020, 569) bis zum 28.06.2020 können zwar Gläubigeranträge gestellt werden. Eröffnet wird das Verfahren aber nur, wenn die Insolvenzreife bereits am 01.03.2020 vorlag. In der Zeit, in der staatliche Hilfen eine Wirkung entfalten könnten, sollen Unternehmen also nicht durch Gläubigeranträge in das Insolvenzverfahren gezwungen werden.

b) BGH Urteil vom 26.01.2017

Mit seinem Urteil vom 26.01.2017 – Az.: IX ZR 285/14 – hat der Bundesgerichtshof die Haftung von Steuerberatern bei einer Firmenpleite bzw. Insolvenz stark verschärft. Sollte ein Klient zahlungsunfähig werden, ist der Steuerberater verpflichtet, diesen unverzüglich und ausdrücklich auf die Insolvenzreife des Unternehmens hinzuweisen.

Dem Betrieb lediglich mitzuteilen, dass das Unternehmen überschuldet ist, reicht somit nicht mehr aus. Der Steuerberater muss die verantwortlichen Geschäftsführer explizit darauf hinweisen, dass ein Insolvenzantrag gestellt werden muss. Unter Umständen läuft der Steuerberater sogar Gefahr, wegen Insolvenzverschleppung angezeigt zu werden und seine Zulassung zu verlieren.

Insbesondere Zahlungen, welche die Geschäftsführer zwischen Insolvenzreife und Insolvenzantrag tätigen, sind dabei ein großer Streitpunkt vor Gericht. Der Steuerberater muss genau erkennen, wann ein Unternehmen insolvenzreif ist und dies umgehend mitteilen. Verstößt der Steuerberater gegen diese Pflicht, so kann er selbst in Haftung genommen werden und muss für den daraus entstandenen Schaden aufkommen.

In zahlreichen Fällen werden Steuerberater von Insolvenzverwaltern in Anspruch genommen.

c) Vergleich der jeweiligen Vermögenslage

Das OLG Frankfurt hat in dem hier besprochenen Urteil zur Berechnung der Schadenshöhe festgestellt, dass sämtliche Vermögenszuflüsse und– abflüsse geprüft werden müssen, die nach der erkennbaren Insolvenzreife erfolgt sind. Erforderlich ist ein Gesamtvermögensvergleich, der die gesamte Schadensentwicklung bis zur letzten mündlichen Verhandlung einbezieht.

Voraussetzung ist hierfür eine Stichtagsbezogene Aufschlüsselung der einzelnen Positionen, damit eine zeitliche Zuordnung gewährleistet ist. Andernfalls ist der kausal zurechenbare Schaden der Höhe nach nicht zu ermitteln.

Ein bloßer Anstieg der Verbindlichkeiten zwischen den Betrachtungszeitpunkten lässt die Geschäfte unberücksichtigt, denen neben einem Vermögensabfluss auch Vermögensvorteile wie etwa Warenlieferungen/Gegenansprüche/Barzahlungen gegenüberstehen. Diese Verbindlichkeiten sind bei der Gegenüberstellung der tatsächlichen Vermögenslage in Abzug zu bringen.

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